Grundbegriffe des
Umsatzsteuerrechts

Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeines

In dieser Abhandlung verwenden wir spezifische umsatzsteuerliche Begriffe absichtlich nur dann, wenn dies zum Verständnis erforderlich ist oder es sich um eindeutige Begriffe handelt. Das halten wir für sinnvoll, weil Sie wahrscheinlich kein Umsatzsteuer-Spezialist sind und anderenfalls Missverständnisse auftreten könnten. Bestes Beispiel dafür ist der Begriff der „Lieferung“. Umsatzsteuerlich hat der Begriff „Lieferung“ nichts mit einer Warenbewegung zu tun. Es handelt sich vielmehr um das „Verschaffen der Verfügungsmacht an einem Gegenstand“. Und die „Lieferung gegen Entgelt“ ist der Verkauf. Wenn es um den Transport einer Ware geht, wird im Umsatzsteuerrecht unterschieden zwischen der „Beförderung“ (Transport mit eigenem LKW) und der „Versendung“ (Beauftragung eines Dritten, z.B. eines Spediteurs). Da diese Unterscheidung für die Beurteilung der angesprochenen Sachverhalte unerheblich ist, verwenden wir hier den Begriff „Transport“.

2. Steuerbarer/nicht steuerbarer Umsatz

Ein Umsatz ist steuerbar, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Ein Unternehmer
  • liefert (Verschaffen der Verfügungsmacht)
  • im Inland
  • gegen Entgelt.

Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Umsatz nicht steuerbar. Da Sie Unternehmer sind oder Ihr Arbeitgeber Unternehmer ist und Sie Waren “gegen Entgelt liefern“ (= verkaufen), bleibt für die hier relevanten Geschäftsvorfälle lediglich zu prüfen, ob der Verkauf „im Inland“ stattfindet. Stellt sich heraus, dass der Verkauf nicht im Inland stattfindet, ist eine der Voraussetzungen für einen steuerbaren Umsatz nicht erfüllt mit der Folge, dass der Umsatz „nicht steuerbar“ ist, er also nicht unter die Regelungen des deutschen Umsatzsteuergesetzes fällt. Ist der Ort der Lieferung nicht im Inland, sollte geprüft werden, in welchem Land der „Ort der Lieferung“ (nachfolgender Absatz 4.) liegt. Denn insbesondere bei Verkäufen innerhalb der EU sind Sie dann möglicherweise in dem anderen Land steuerpflichtig und müssen sich dort registrieren lassen oder einen Fiskalvertreter beauftragen. In einigen Mitgliedstaaten gilt für solche Fälle das so genannte „Reverse-Charge-Verfahren“, bei dem Ihr Kunde die Umsatzsteuer in seinem Land anmelden muss. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall geklärt werden.

Neben diesem Umsatz definiert das Umsatzsteuergesetz noch weitere steuerbare Umsätze, die – außer der „Einfuhr“ und dem „innergemeinschaftlichen Erwerb“ – für die hier in Betracht kommenden Fragen aber nicht relevant sind.

3. Steuerfreier/steuerpflichtiger Umsatz

Das Umsatzsteuergesetz und die Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung enthalten zahlreiche Regelungen, die bestimmte, genau definierte steuerbare Umsätze von der Umsatzsteuer befreien. Dabei handelt es sich um Vorschriften,

  • die bestimmte Waren von der Umsatzsteuer befreien (z.B. Gold, Postwertzeichen, menschliche Organe),
  • die bestimmte Dienstleistungen (z.B. grenzüberschreitende Beförderungen, Heil- und Krankenhausbehandlungen, Postdienstleistungen) oder
  • sonstige Sachverhalte betreffen (z.B. Ausfuhrlieferungen, innergemeinschaftliche Lieferungen, Lieferungen an Nato-Truppen, Muster bei der Einfuhr).

Ist ein Umsatz steuerfrei, muss der Unternehmer nachweisen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Im Regelfall wird gesetzlich festgelegt, welche konkreten Nachweise zu erbringen sind. Außerdem muss auch der so genannte „Buchnachweis“ vorhanden sein. Auf diesen Begriff gehen wir hier aber nicht näher ein, weil Sie sicherlich ein Buchführungssystem verwenden, anhand dessen sichergestellt ist, dass der Buchnachweis erbracht wird. Liegen die entsprechenden Nachweise vor, ist der Umsatz steuerfrei.

Ist keine Regelung zu finden, wonach ein steuerbarer Umsatz steuerfrei ist, ist der Umsatz steuerpflichtig.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Unterscheidung zwischen „nicht steuerbar“ und „steuerfrei“:

In beiden Fällen berechnen Sie keine Umsatzsteuer. Für einen steuerfreien Umsatz müssen Sie – wie schon ausgeführt – nachweisen, dass die Voraussetzungen vorliegen. Der nicht steuerbare Umsatz ergibt sich zwangsläufig aus dem Sachverhalt. Aus der Praxis wissen wir allerdings, dass manche Steuerprüfer z.B. bei nicht steuerbaren Auslandsgeschäften weitere Nachweise verlangen und sie dies mit den verstärkten Nachweispflichten bei Auslandsbeziehungen begründen. Es kann also nicht schaden, wenn Sie z.B. Ausfuhr- oder Verbringungsnachweise auch dann archivieren, wenn Sie nicht steuerbare Umsätze tätigen.

Beispiel:

U1 in Deutschland verkauft an Sie (U2) in Deutschland, Sie verkaufen an U3 in der Schweiz. Der Transport wird von U1 veranlasst. In diesem Fall hat U1 die steuerfreie Ausfuhrlieferung und Sie haben einen nicht steuerbaren Umsatz in der Schweiz. (Auf die Begründung gehen wir in Abschnitt III. bei den entsprechenden Beispielen ein.) U1 muss seine steuerfreie Ausfuhr nachweisen; Ihr nicht steuerbarer Umsatz ergibt sich aus dem Sachverhalt.

4. Wo ist der umsatzsteuerliche „Ort der Lieferung“?

Die Antwort auf diese Frage gibt Aufschluss darüber, wo ein Umsatz steuerbar ist, also welches Umsatzsteuerrecht auf den Umsatz anwendbar ist. Ist der Ort der Lieferung in Deutschland, fällt der Umsatz unter das deutsche Umsatzsteuergesetz. Ist der Ort der Lieferung z.B. in Österreich, ist dieser Umsatz in Deutschland nicht steuerbar (d.h., dass das deutsche Umsatzsteuergesetz auf diesen Umsatz nicht anwendbar ist), er fällt dann unter die Regelungen des österreichischen Umsatzsteuergesetzes.

Als Grundsatz regelt das Umsatzsteuerrecht, dass im Fall von Warenbewegungen der Ort der Lieferung der Ort ist, an dem der Transport beginnt. Zu diesem Grundsatz gibt es spezielle Regelungen, die entweder den Grundsatz bestätigen oder eine abweichende Regelung vorsehen:

  • Für eine „bewegte Lieferung“ gilt der Grundsatz des Umsatzsteuerrechts. Somit ist der Ort der Lieferung dort, wo der Transport beginnt.
  • Für eine „vorangehende ruhende Lieferung“ gilt ebenfalls der Grundsatz. Der Ort der Lieferung ist also dort, wo der Transport beginnt.
  • Für eine „nachfolgende ruhende Lieferung“ ist der Ort der Lieferung dort, wo der Transport endet.
  • Für den innergemeinschaftlichen Erwerb gilt ebenfalls die Regelung, wonach der Ort der Lieferung dort ist, wo der Transport endet.
5. Inland, Ausland, Gemeinschaftsgebiet, übriges Gemeinschaftsgebiet, Drittlandsgebiet

Aus deutscher Sicht gilt Folgendes:

  • Inland ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freihäfen und gewisser Bereiche von Gewässern und von bestimmten Schiffen.
  • Ausland ist alles das, was nicht Inland ist.
  • Gemeinschaftsgebiet ist das umsatzsteuerlich definierte Inland aller EU-Mitgliedstaaten.
  • Übriges Gemeinschaftsgebiet ist aus deutscher Sicht das Gemeinschaftsgebiet außer dem deutschen Inland.
  • Drittlandsgebiet ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.
6. Was ist eine „innergemeinschaftliche Lieferung“?

Um bei einem Verkauf einer Ware in einen anderen EU-Mitgliedstaat eine Besteuerung im EU-Bestimmungsland zu erreichen, muss der Verkauf im EU-Versendungsland von der Steuer befreit werden. Da eine zollamtliche Überwachung wie z.B. bei einer steuerfreien Ausfuhrlieferung nicht stattfindet, ist die zutreffende Abwicklung in die Hände der Unternehmen gelegt worden. Die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sind Folgende:

  • Ein Unternehmen
  • verkauft eine Ware,
  • an ein Unternehmen,
  • die Ware wird in einen anderen EU-Mitgliedstaat transportiert und
  • der Kauf unterliegt im anderen Mitgliedstaat der Umsatzbesteuerung.

Der genaue Gesetzeswortlaut ergibt sich aus § 6a (1) UStG.

Da es sich hierbei um eine Steuerbefreiung handelt, muss das Unternehmen nachweisen, dass die Voraussetzungen vorliegen. Die Details zum Belegnachweis werden in der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) geregelt.

Der Nachweis, dass die Ware an ein Unternehmen verkauft wurde und der Kauf im anderen Mitgliedstaat der Besteuerung unterliegt, erfolgt durch Verwendung der USt-IdNr. des Käufers.

7. Was ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb?

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb ist das Gegenstück zur innergemeinschaftlichen Lieferung. Vereinfacht gesagt, liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, wenn

  • ein Unternehmen
  • eine Ware
  • von einem Lieferanten (Unternehmen) kauft und
  • die Ware bei diesem Verkauf (der die bewegte Lieferung darstellt) aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat transportiert wird.

Der genaue Gesetzeswortlaut ergibt sich aus § 1a (1) UStG.

Der Käufer muss in diesem Fall in seinem Land, das im Regelfall auch das Bestimmungsland ist, die Erwerbsteuer anmelden, die er zum gleichen Zeitpunkt als Vorsteuer abziehen kann. Eine Zahlung findet deshalb nicht statt.

Was sowohl für die innergemeinschaftliche Lieferung als auch für den innergemeinschaftlichen Erwerb gerne übersehen wird, ist die Voraussetzung, dass die Ware von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat transportiert wird. Es ist dagegen unerheblich, wo die Vertragsparteien ihren Sitz haben. Wenn z.B. U1 in Deutschland an U2 in Frankreich verkauft und die Ware in Deutschland verbleibt, liegen weder eine innergemeinschaftliche Lieferung noch ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Es handelt sich dabei um einen innerdeutschen Umsatz, der der deutschen Umsatzsteuer unterliegt.

8. Ausführer und Anmelder

Die zollrechtlichen Vorschriften unterscheiden zwischen dem „Ausführer“ und dem „Anmelder“. Im Fall der Ausfuhr von Waren in ein Drittland muss der Ausführer auch der Anmelder sein. Das heißt, dass der Ausführer seine Ausfuhranmeldung im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgibt. Wenn er sich z.B. durch eine Zollagentur oder einen Spediteur vertreten lässt, bleibt er dennoch Anmelder. Die Zollagentur oder der Spediteur übernehmen im Regelfall lediglich die Anmeldefunktion im Rahmen des ATLAS-Verfahrens der deutschen Zollverwaltung als so genannter “Zollvertreter”.

Grundsätzlich gilt als zollrechtlicher „Ausführer“,

„die im Zollgebiet der Union ansässige Person, die befugt ist, über das Verbringen der Waren aus dem Zollgebiet der Union zu bestimmen, und dies bestimmt hat“.

Nach der deutschen Rechtsauffassung kann die Befugnis, über das Verbringen zu bestimmen, übertragen werden, um den Beteiligten eine größere Flexibilität bei der Vereinbarung des zollrechtlichen Ausführers zu bieten.

Ein wichtiger Grund ist z.B., die umsatzsteuerlichen Nachweispflichten zu vereinfachen. Wenn der „umsatzsteuerliche Ausführer“ (also derjenige, der die steuerfreie Ausfuhrlieferung hat) und der zollrechtliche Ausführer identische Personen/Unternehmen sind, ist der optimale Ausfuhrnachweis, nämlich der mit dem so genannten „Ausgangsvermerk“, einfach zu führen. Denn der zollrechtliche Ausführer hat ja die Ausfuhranmeldung selbst abgegeben oder durch einen direkten Vertreter abgeben lassen. Im ersten Fall ist der Ausgangsvermerk im ATLAS-System des Ausführers enthalten, im zweiten Fall muss der Ausführer sich den Ausgangsvermerk von seinem Dienstleister aushändigen lassen. Nach den Vorschriften des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses muss der Ausführer zwar auch alle EDIFACT-Daten, die der Dienstleister mit der Zollverwaltung ausgetauscht hat, archivieren. In der Praxis scheint dies aber offenbar keine unbedingte Voraussetzung zu sein.

Sind der umsatzsteuerliche Ausführer und der zollrechtliche Ausführer unterschiedliche Personen, erhält der umsatzsteuerliche Ausführer keinen Ausfuhrnachweis in Form des Ausgangsvermerks, weil der andere Unternehmer die Ausfuhranmeldung abgibt und dieser nach der Ausfuhr im Rahmen seines ATLAS-Verfahrens den Ausgangsvermerk erhält. In diesem Fall muss der umsatzsteuerliche Ausführer entweder den Ausgangsvermerk von seinem Geschäftspartner anfordern oder alternative Ausfuhrnachweise beschaffen. Den Ausgangsvermerk wird er aber nur selten erhalten, weil sich aus dem Ausgangsvermerk auch der Verkaufspreis ergibt. Dann bleibt nur die Ausstellung einer Versandbestätigung durch den zollrechtlichen Ausführer, die Anforderung einer Spediteurbescheinigung oder die Beschaffung von weiteren alternativen Ausfuhrnachweisen (z.B. Transportdokumenten), was alles sehr aufwändig ist.

Diese Problematik tritt vorrangig dann auf, wenn ein deutsches Unternehmen oder ein Unternehmen in einem anderen EU-Mitgliedstaat als erster Verkäufer (U1) auftritt, die steuerfreie Ausfuhrlieferung hat und an ein anderes Unternehmen (U2) in Deutschland oder in einem andern EU-Mitgliedstaat verkauft, das als Ausführer auftritt.

Beispiel
Das deutsche Unternehmen U1 verkauft eine Ware an seinen deutschen Kunden U2. U2 verkauft an seinen Kunden U3 in der Schweiz.

U1 veranlasst den Transport der Ware von U1 zu U3.

Bei diesem Sachverhalt hat U1 die steuerfreie Ausfuhrlieferung und U2 einen nicht steuerbaren Umsatz. U2 wird im Regelfall als zollrechtlicher Ausführer auftreten und erhält den Ausfuhrnachweis in Form des Ausgangsvermerks, den U2 aber nicht benötigt. U1 muss sich daher von U2 den Ausgangsvermerk (und die EDIFACT-Daten aus ATLAS) aushändigen lassen, oder den Ausfuhrnachweis anhand der alternativen Dokumente führen.

Um den umsatzsteuerlichen Ausfuhrnachweis einfacher und sicherer führen zu können, sollten in einem solchen Fall U1 und U2 vereinbaren, dass U1 als zollrechtlicher Ausführer auftritt. Diese Vereinbarung sollte schriftlich in einfacher Form getroffen werden (im Kaufvertrag, in einer separaten Mail o.ä.). Diese Vereinbarung kann z.B. wie folgt lauten:

„Zwischen den Parteien wird vereinbart, dass … (U1) als die Person gilt, die über das Verbringen der Ware entscheidet und daher als Ausführer im zollrechtlichen Sinne auftritt.“

Tritt U1 als zollrechtlicher Ausführer auf, meldet er in seiner Ausfuhranmeldung die Daten aus seiner Verkaufsrechnung an U2. Tritt U2 als zollrechtlicher Ausführer auf, meldet er in seiner Ausfuhranmeldung die Daten aus seiner Rechnung an U3 an.